Das Jahr, in dem kalifornischer Wein weltweit bekannt wurde

Wir gehen zurück in die Mitte der 1970er Jahre. Damals war Frankreich noch der Nabel der Weinwelt und der Rest der Welt zählte kaum. Übersee war nicht existent, und in Europa gab es neben Madeira, Sherry und Port höchstens noch deutsche Auslesen. Italien und die iberische Halbinsel spielten kaum eine Rolle, abgesehen von einigen wenigen ikonischen Weingütern. Heute ist das kaum noch vorstellbar. Doch der Wandel von damals bis heute begann mit jenem Ereignis in Paris, das in diesem Jahr sein 48. Jubiläum feiert. Obwohl der Journalist George M. Taber nur eine Randnotiz auf der vorletzten Seite des Time Magazins über das später legendär gewordene Ereignis verfassen konnte, reichte dies aus, um enorme Aufmerksamkeit zu erregen. Die Verkostung war eine Initialzündung für den kalifornischen Weinbau und in der Folge auch für den gesamten Übersee-Weinbau. Sie wurde bekannt als das Judgment of Paris. 

Das jüngste Gericht für französische Spitzenwinzer

Über das Judgment of Paris ist schon oft geschrieben und gesprochen worden. Die von Steven Spurrier im Jahr 1976 in Paris organisierte Weinverkostung hat immense Bedeutung erlangt. Ursprünglich war sie als unterhaltsames Event gedacht, vor allem, um Spurriers Geschäft und Weinschule etwas Aufmerksamkeit in der Pariser Presse zu verschaffen. Doch diese Verkostung, bei der einige der renommiertesten Verkoster Frankreichs und ein einziger Journalist des Time Magazins, George M. Taber, anwesend waren, entwickelte sich zu einem einzigartigen Ereignis in der Weinwelt. Um es kurz zusammenzufassen: Kalifornische Chardonnays wurden gegen die besten Burgunder und kalifornische Cabernet Sauvignons gegen die Cabernet-lastigen Grand Crus des Médoc verkostet. Niemand, nicht einmal der Organisator Steven Spurrier, hatte erwartet, dass in beiden Kategorien kalifornische Weine den ersten Platz belegen würden. Für die französischen Verkoster wie Odette Kahn, die Herausgeberin der Revue du Vin de France, oder Aubert de Villaine, den Miteigentümer der Domaine de la Romanée-Conti, war dies ein Affront. Die französische Presse versuchte später, das Ereignis herunterzuspielen, und Steven Spurrier wurde in vielen Weingütern Hausverbot erteilt – obwohl er eigentlich ein angesehener Händler französischer Weine war und mit kalifornischen Weinen nichts zu tun hatte.

Kalifornische Weine stellen Grand Cru in den Schatten

Das Rotwein-Tasting gewann der 1973er Stag’s Leap Wine Cellars Cabernet Sauvignon des Weinmachers Warren Winiarski. Winiarski, der aus der polnischen Community von Chicago stammte, war ursprünglich Universitätsdozent und hatte sich während eines Studienaufenthalts in Italien für Wein begeistert. Er und seine Frau wollten der grauen Großstadt entfliehen und zogen Mitte der 1960er Jahre mit fast nichts nach Kalifornien, um dort Winzer zu werden. Er wurde Assistent von André Tchelistcheff, der ebenfalls osteuropäische Wurzeln hatte, ebenso wie Mike Grgich, der den Chardonnay gemacht hatte, der das Judgment of Paris der Weißweine gewann. Nach seiner Lehrzeit suchte Winiarski ein geeignetes Stück Land, fand es im Stag’s Leap District, fand Investoren und gründete 1970 sein Weingut. Im Herbst 1970 pflanzte er die ersten Cabernet-Sauvignon-Reben, 1973 erntete er die ersten Trauben und 1976 besiegte er mit diesem Wein die 1970er und 1971er Gewächse von Mouton-Rothschild, Haut-Brion, Léoville Las Cases und Montrose.

Es dürfte kaum ein Zweifel bestehen, dass eine solche Verkostung eine Momentaufnahme ist und nur begrenzten Aussagewert hat, auch wenn das Ergebnis bemerkenswert ist. Doch in diesem Fall, ist es anders. Denn beim 30th Anniversary Tasting, einer Art Reenactment, das ebenfalls von Steven Spurrier und seiner damaligen Assistentin Pat Gallagher auf beiden Seiten des Atlantiks organisiert wurde, belegte der 1973er Stag’s Leap Wine Cellars Cabernet Sauvignon knapp hinter dem 1971er Ridge Monte Bello den zweiten Platz. Okay, auch wenn sich Frankreich damals noch für den Nabel der Weinwelt hielt, so ist spätenstens beim Judgment of Paris, später auch in der gesamten Weinszene klar geworden, dass die 1970er nicht mehr die besten Zeit des französischen Weines war. Man hatte sich zu lange auf seinen Lorbeeren ausgeruht und zu lange zu wenig investiert. Insofern war die Veranstaltung auch ein Weckruf für die französischen Winzer, die ihn, nachdem sie ihre Wunden geleckt haben, durchaus zum Anlass für Neuerungen genommen haben. Insofern haben beide Seiten der Weinwelt etwas davon gehabt. Die Bodenpreise im Napa Valley, wo die damals noch wenigen kalifornischen Weingüter im Wesentlichen beheimatet waren, schnellten jedenfalls nach dem Time-Artikel in die Höhe und vervielfachten sich innerhalb weniger Tage. Der Wein-Boom in Kalifornien hatte begonnen.

Das Buch zum Ereignis gibt es von George Taber und heißt „Judgment of Paris“. Es lohnt sich, weil es den gesamten kalifornischen Weinbau zu dieser Zeit samt seiner Vorgeschichte beschreibt. Außerdem gibt es einen amüsanten Popcorn-Film dazu. Er heißt „Bottleshock“.

Gastbeitrag von Christoph Raffelt

Kalifornische Weine

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